Diabetes-Notfälle erkennen & richtig handeln

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Diabetes ist eine weitverbreitete Erkrankung, die den Blutzuckerspiegel dauerhaft beeinflusst. Ein zu hoher oder zu niedriger Blutzucker kann jedoch nicht nur langfristige Schäden verursachen, sondern auch akut gefährlich werden. Was passiert, wenn der Blutzucker außer Kontrolle gerät? Wie erkennst du, ob jemand in einem Notfall steckt und wie reagierst du in solchen Situationen richtig? Ob zu niedriger oder zu hoher Blutzucker – in beiden Fällen zählt jede Minute. In diesem Beitrag erfährst du, welche Schritte notwendig sind, um schwerwiegende Folgen zu verhindern und im Ernstfall sogar Leben zu retten.
Wusstest du, dass in Deutschland rund 6 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt sind? Ein ständiger Wechsel zwischen Unter- und Überzuckerung kann nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen, sondern auch lebensbedrohlich werden. Daher ist es wichtig, schnell zu erkennen, ob jemand unter einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) oder einer Überzuckerung (Hyperglykämie) leidet – und entsprechend zu handeln. Je früher du eingreifst, desto besser können ernsthafte Komplikationen verhindert werden.

Schritt 1: Ist die Person bewusstlos?

Bevor du in einem Notfall weitere Maßnahmen ergreifst, musst du im ersten Schritt sicherstellen, dass die betroffene Person ansprechbar ist. Falls die Person bewusstlos ist, rufe sofort den Rettungsdienst (112) an. Gib der Leitstelle alle relevanten Informationen – insbesondere, dass die Person Diabetes hat, da dies für die richtige Versorgung entscheidend ist. Achte darauf, die Situation klar zu schildern und bleibe ruhig.
Beachte: Flöße der bewusstlosen Person auf keinen Fall etwas in den Mund ein – es besteht Erstickungsgefahr. Wenn du dir zudem unsicher bist, ob es sich um eine Über- oder Unterzuckerung handelt, verwende weder Glukagon-Spritze noch -Nasenspray und spritze kein Insulin. Ein falsches Vorgehen könnte die Situation weiter verschärfen.

Schritt 2: Ist es eine Unter- oder Überzuckerung?

Der nächste entscheidende Schritt ist, herauszufinden, ob es sich um eine Unterzuckerung oder eine Überzuckerung handelt. Diese beiden Arten von Notfällen erfordern unterschiedliche Maßnahmen, weshalb es wichtig ist, die Symptome richtig zu deuten.
Hinweis: Frage die Person nach ihrem aktuellen Blutzuckerwert. Falls sie sich unsicher ist, fordere sie auf, ihren Blutzucker zu messen. Du kannst auch den Wert von einem Blutzuckermessgerät, einer Insulinpumpe oder einem Smartphone-ähnlichen Lesegerät ablesen, wenn diese Geräte verfügbar sind. Falls ein Blutzuckermessgerät greifbar ist und du damit umgehen kannst, kannst du den Blutzucker auch selbst messen.

Unterzuckerung erkennen

Eine Unterzuckerung tritt auf, wenn der Blutzucker unter 70 mg pro dl (3,9 mmol pro l) fällt. Häufige Auslöser sind eine zu hohe Insulindosis, körperliche Aktivität oder verzögerte Mahlzeiten. Zu den typischen Symptomen einer Unterzuckerung gehören:
  • Zittern, Heißhunger
  • Schwitzen, Herzklopfen
  • Sprach- und Sehstörungen
  • Verwirrtheit, Reizbarkeit, in schweren Fällen Bewusstlosigkeit
Beachte: Im schlimmsten Fall kann eine starke Unterzuckerung zu Bewusstlosigkeit führen. Deswegen ist ein schnelles Handeln notwendig, um der betroffenen Person zu helfen.

Überzuckerung erkennen

Eine Überzuckerung tritt auf, wenn der Blutzucker über 250 mg pro dl (13,9 mmol pro l) ansteigt. Werte über 1000 mg pro dl (55,5 mmol pro l) sind ebenfalls möglich, was oft auf unzureichende Insulinzufuhr oder mangelnde Pflege von Insulinpumpen zurückzuführen ist. Typische Anzeichen einer Überzuckerung sind:
  • starker Durst
  • häufiges Wasserlassen
  • Müdigkeit, Kopfschmerzen
  • Übelkeit, in schweren Fällen Bewusstseinsstörungen
  • süßlich riechender Atem (kann auf diabetische Ketoazidose hinweisen)
Beachte: Ein süßlich riechender Atem, vertiefte Atmung, Müdigkeit und Übelkeit können Anzeichen einer diabetischen Ketoazidose sein, einer besonders gefährlichen Notfallsituation. Bei der Ketoazidose fehlt Insulin im Körper, was dazu führt, dass der Zucker nicht in die Zellen aufgenommen werden kann. Der Körper baut stattdessen Fettreserven ab, wodurch Ketonkörper entstehen, die den pH-Wert im Blut senken und zu einer Übersäuerung führen. Diese sorgt nicht nur für die beschriebenen Symptomen, sondern auch vermehrten Harndrang und Flüssigkeitsverlust, was zu einer drohenden Dehydration und Kreislaufversagen führen kann. Eine Ketoazidose tritt häufig bei Typ-1-Diabetes auf, kann aber auch bei Typ-2-Diabetes lebensbedrohlich werden. In jedem Fall ist sofortige medizinische Hilfe dringend erforderlich, um schwerwiegende Folgen wie ein diabetisches Koma zu vermeiden.

Schritt 3: Sofortmaßnahmen bei einer Unter- oder Überzuckerung

Nachdem du festgestellt hast, ob es sich um eine Unter- oder Überzuckerung handelt, geht es nun darum, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um der betroffenen Person schnell zu helfen.

Sofortmaßnahmen bei Unterzuckerung

Wenn die Person ansprechbar ist, solltest du schnell handeln:
  • Gib ihr sofort ein zuckerhaltiges Getränk oder etwas zu essen. Ideal sind Fruchtsaft oder Limonade (keine Light-Produkte). Auch Traubenzuckerplättchen, Honig oder Gummibärchen sind geeignet. Vermeide fettreiche Lebensmittel wie Schokolade, da sie den Blutzucker nur langsam anheben.
  • Falls vorhanden, kann auch eine Glukagon-Spritze oder ein Glukagon-Nasenspray verwendet werden, um eine schwere Unterzuckerung zu behandeln, auch wenn die Person bewusstlos ist. Es ist jedoch wichtig, vorher sicherzustellen, dass keine Überzuckerung vorliegt. Bei Bewusstlosigkeit sollte immer sofort der Notdienst verständigt werden. Glukagon ist ein Hormon, das die Freisetzung von Zucker (Glukose) aus der Leber ins Blut fördert und so den Blutzuckerspiegel anhebt. Dies ist besonders hilfreich, wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, Zuckerhaltiges zu sich zu nehmen.
  • Nach etwa 15 Minuten solltest du den Blutzucker erneut messen und den Gesundheitszustand der Person überprüfen. Achte darauf, die betroffene Person nicht alleine zu lassen und bringe sie in eine sichere Position.

Sofortmaßnahmen bei einer Überzuckerung

Bei einer Überzuckerung ergreifst du ebenfalls schnell Maßnahmen:
  • Wenn die Person ansprechbar ist, sollte sie sofort den Blutzucker messen und gegebenenfalls Insulin spritzen, falls dies vorgesehen ist. In der Regel existiert ein Notfallplan, der gemeinsam mit dem Diabetes-Fachpersonal erstellt wurde.
  • Falls möglich, teste auf Ketone, um zu prüfen, ob es sich um eine gefährliche Ketoazidose handelt. Bei Typ-1-Diabetes sollte der Blutzuckerwert über 250 mg pro dl (13,9 mmol pro l) liegen, bevor der Ketontest durchgeführt wird. Ketone können entweder im Urin oder im Blut gemessen werden. Urin- oder Blutketon-Teststreifen werden oft von der Diabetes-Praxis verschrieben. Einige Blutzuckermessgeräte ermöglichen es, auch Ketone im Blut zu messen, wenn spezielle Teststreifen verwendet werden.
  • Die Person sollte viel Wasser trinken, um die überschüssige Glukose aus dem Körper zu spülen und den Blutzuckerspiegel zu senken.
  • Messe regelmäßig den Blutzucker und den Gesundheitszustand der Person, um die Situation zu überwachen.
Hinweis: Ein Diabetes-Notfallausweis informiert im Ernstfall die hilfeleistenden Personen über die bestehende Diabetes-Erkrankung sowie eingenommene Medikamente. Das Diabetesnetz Deutschland bietet den Diabetes-Notfallausweis kostenlos an. Du kannst ihn unter diabetesnetz.info bestellen oder direkt als PDF-Dokument herunterladen und ausdrucken: Download „Diabetes-Notfallausweis“. Als betroffene Person solltest du dir unbedingt einen Diabetes-Notfallausweis zulegen und diesen immer bei dir tragen. Falls du Menschen im Umfeld hast, die ebenfalls Diabetes haben, ermutige sie, sich ebenfalls einen Notfallausweis zuzulegen, um im Notfall bestmöglich versorgt zu werden.

Exkurs: Notfalldaten auf deinem Smartphone hinterlegen

Für den Notfall kannst du wichtige Gesundheitsdaten auf deinem Smartphone hinterlegen, die der Rettungsdienst oder Umstehende im Falle eines Bewusstseinsverlusts schnell einsehen können. Diese Informationen können entscheidend sein, um schnell die richtige Behandlung einzuleiten. Aktivere dazu den „Notfallpass“ oder „Notfallinformationen“ auf deinem Handy:
  • iOS: Gehe zu „Health“ und aktiviere „Zugriff im Notfall“.
  • Android: Gehe zu „Sicherheitseinstellungen“ und erlaube den „Zugriff auf Notfallinformationen“.
Hier kannst du ebenfalls Angaben zu deiner Blutgruppe, Medikamenten, Allergien und relevanten Gesundheitszuständen hinterlegen. Stelle sicher, dass du aktuelle Notfallkontakte und wichtige medizinische Daten hinzufügst, die im Ernstfall entscheidend sein können. Denke daran, diese Informationen regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren, falls sich etwas an deinem Gesundheitszustand oder deinen Medikamenten ändert. So können Rettungskräfte und Ersthelfer:innen wichtige Informationen auch bei einem gesperrten Bildschirm einsehen und schneller reagieren. Auch bei einem Stromausfall oder einer abgeschlossenen Smartphone-Verbindung bleibt dieser Zugang gewährleistet, was im Notfall entscheidend sein kann.

In diesem Beitrag hast du erfahren, wie du bei einer Unterzuckerung oder Überzuckerung richtig reagierst, um im Notfall Leben zu retten. Du weißt nun, wie du die Symptome erkennst, welche Sofortmaßnahmen du ergreifen solltest und warum ein Diabetes-Notfallausweis sowie Notfalldaten auf deinem Smartphone so wichtig sind. Denk daran: Schnelles Handeln ist entscheidend. Sollte es zu einer kritischen Situation kommen, zögere nicht, sofort Hilfe zu holen. Wenn du erfahren möchtest, wie du in anderen medizinischen Akutsituationen, z. B. bei einem Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herzstillstand unterstützen kannst, dann informiere dich in weiterführenden Beiträgen.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
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